SANKT MARTIN

Sankt Martin ritt durch Schnee und Wind

von Ingrid Uebe

 An einem kalten Wintertag
  Saß Martin hoch zu Pferde
  Und sah vor sich am Wegesrand
  Auf schneebedeckter Erde
  Ein altes Männlein, halb erfror´n,
  Das bat: "Hilf einem Armen!
  Bewahr´ er mich vor dem Kältetod
  Und schenk mir dein Erbarmen!"
  Martin gäb´ gern ein Geldstück her,
  Doch seine Taschen waren leer.
  
 Da stieg er kurzerhand vom Pferd,
  Nahm seinen Mantel und sein Schwert
  Und schnitt in großer Eile
  Den Mantel in zwei Teile.

 Der Bettler nahm die Hälfte gern.
  Sein Blick war froh und heiter.
  Und Martin mit dem anderen Teil
  Ritt ganz zufrieden weiter.
  Und mochten alle Leute auch
  Über den Reiter lachen,
  So schien der seltsame Soldat
  Sich gar nichts draus zu machen.
  Ihn kümmerte nicht Hohn noch Spott.
  Er wusste, dass der liebe Gott
  Aus seinen fernen Himmelshöh´n
  Der Mantelteilung zugeseh´n.
  Was scherten ihn die Leute,
  Wenn sich der Vater freute!

 Im Kloster war für Martin dann
  Der schönste Platz auf Erden.
  Er wollte Mönch, sonst gar nichts sein.
  Doch sollt´ er Bischof werden,
  Bischoff von Tours! In dieser Stadt
  Hat´ ihn das Volk empfohlen.
  Und mochte Martin auch nicht gehen,
  So kam man ihn doch holen.
  Man führt´ ihn aus dem Kloster fort,
  Zum Tor hinaus, von Ort zu Ort.
  Die lange Straße bis nach Tours.
  Man freute sich - und staunte nur,
  Das Jubel und Geläute
  Den Bischof gar nicht freute.

 Ach, Bischof war er ja noch nicht!
  Er wollt´s auch gar nicht werden.
  Der ganze Trubel machte ihm
  Nur Sorgen und Beschwerden
  Nein, Martin wollte nimmermehr
  Auf Macht und Ehre pochen
  Und hätt´ drum am liebsten sich
  Schnell irgendwo verkrochen.

 Am Weg sah er ein Bretterhaus.
  Ein Gänslein schaut´ zur Tür heraus.
  Und war der Stall auch eng und klein,
  So schlüpfte Martin doch hinein,
  Konnt´ unbemerkt entfliehen
  Und ließ die anderen ziehen.

 Die Gänse aber, sehr erstaunt,
  Begannen wild zu flattern
  Und obendrein aus vollem Hals
  Ganz fürchterlich zu schnattern.
  Sie flatterten und schnatterten
  Und rannten auf und nieder.
  Sie rissen ihre Schnäbel auf
  Und spreizten ihr Gefieder.
  "Seid still!", raunt´ Martin ihnen zu.
  Doch, ach, sie gaben keine Ruh´
  Und lockten so die Leute all´
  Durch ihr Geschrei zum Gänsestall.
  Der gute Martin wusste, 
  Was er jetzt machen musste.
 
 Er kam heraus und schickte sich
  In das, was alle wollten.
  Bescheiden senkte er den Kopf,
  Als sie ihm Beifall zollten.
  Mit einem Lächeln bat er sie,
  Die Flucht ihm zu verzeihen,
  Und wanderte dann schnell nach Tours,
  Ließ sich zum Bischof weihen.
  Ließ kleiden sich in Bunt und Gold
  Und sagte: "Gott hat´s so gewollt.
  Ich nehme seinen Auftrag an.
  Was Gott tut, das ist wohlgetan,
  Im Himmel und auf Erden.
  Er ließ mich Bischof werden."

 Als Martin alt und müde war,
  Ein sanfter Greis mit weißem Haar,
  Da ging er in sein Schlafgemach
  Und legte sich zu Bett und sprach:
  "Mein Leben geht zu Ende.
  Gott reich mir deine Hände,
  Führ mich in deine Herrlichkeit
  Und lass mich dann für alle Zeit
  Bei dir im Paradiese sein!"
  Darauf schlief er ganz friedlich ein.
  Sein Herz war voll Vertrauen.
  Er würde Gott bald schauen.

 Gott liebte seinen Bischof sehr.
  Drum rief er seine Engel her
  Und schickte vier von ihnen aus.
  Die flogen schnell zu Martins Haus
  Und füllten alle Zimmer
  Mit ihrem gold´nen Schimmer
  Und als sie alles hell gemacht,
  Ist Martin staunend aufgewacht.
  Nie hat er solchen Glanz geseh´n.
  Er fand den Anblick wunderschön.
  "Ihr Engel" , sprach er, "bitte,
  Nehmt mich in eure Mitte!"

 Sie hoben und sie trugen ihn.
  Viel tausend Sterne sah er glüh´n,
  Sah auch des guten Mondes Lauf.
  Dann tat das Paradies sich auf
  Und Gott begrüßt´ den Frommen
  "Sei, Martin, mir willkommen!
  Begleite mich zu meinem Thron,
  Empfange den verdienten Lohn
  Für Demut und Bescheidenheit.
  Dich soll des Himmels Herrlichkeit
  Mit Pracht und Glanz umgeben."

 Nun sitzt er in der Heil´gen Reih´n
  Und trägt auch selbst den Heil´genschein.
  Sein gutes Herz pocht hoch beglückt,
  Und auch wenn er zur Erde blickt,
  Fühlt er es fröhlich springen.
  Denn horch! Die Kinder singen:
  "Sankt Martin ritt durch 
  Schnee und Wind......"
  Nicht wahr? Dies Lied kennt jedes Kind!
  Wir stimmen alle froh mit ein
  Und singen es im hellen Schein
  Von Sternen, Mond und Sonne.
  Sankt Martin hört´s mit Wonne.
	

Zurück